03.12.2019

Wohnzimmergespräche #1

von Jacob Lassmalossegeln & Alina von Klischee gelesen am 03.12.2019

A: „Ich war gestern Nacht wieder wach... Irgendwie hält mich das alles fest.“

B: „Was meinst du?“

A: „Ich habe das Gefühl im Kreis zu laufen. Wände von allen Seiten, die ich einst für Spiegel hielt, kommen jetzt immer näher und den einzigen Schlüssel, den ich immer in meiner Tasche hatte, habe ich in deinen Augen verloren.“

B: „Gestern war wieder ein echt harter Tag. Frau Hieler aus dem dritten Stock, also der Demenzstation, hat wieder ein Theater angestellt, du glaubst es nicht. Ich bin wieder ihr Enkel gewesen und sollte ihr beim Einkaufen helfen. Ich weiß gar nicht wohin mit den ganzen Sachen.“

A: „Hörst du mir zu?“

B: „Ja klar. Tommy und Sarah wollen jetzt ein Kind, krass oder?“

A: „Ich würde gern mal mit wem anderen schlafen.“

B: „Was?“

A: „Ja ich meine, das ist doch verrückt. Wieso sperren wir uns so ein?“

B: „Reiche ich dir nicht oder was? Bin ich nicht genug?“

A: „Wir haben das Schönste was es gibt. Wir haben Liebe. Können Liebe geben und bekommen. Ich verstehe nicht, warum wir uns so exklusiv verhalten. Wieso sollte ich die schönste Sache der Welt nicht teilen?“

B: „Weil du schon so viel hast. Du hast mich.“

A: „Aber je mehr wir uns öffnen, desto mehr bekommen wir doch auch.“

B: „Also geht’s dir doch nur wieder darum, mehr zu bekommen.“

A: „Kann ich Menschlichkeit bekommen?“

B: „Scheiß auf deine Menschlichkeit. Du möchtest jemand anderen ficken. Du erzählst mir was von geteilter Liebe, aber eigentlich willst du doch nur wissen, wie sich ein anderer Schwanz in dir anfühlt.“

A: „Mir war klar, dass du so reagierst. Du bist ja nicht einmal offen genug dich selbst zu lieben.“

B: „Was ist denn diese Offenheit, von der du redest? Ist Offenheit unser neues Kapital, das neue Statussymbol? Je offener du bist, desto geiler bist du?“

A: „Es gibt einfach noch so viel mehr, als das, was wir jeden Tag leben. Wie oft dachte ich: "Das war's, da kommt nichts mehr." Und dann geschah etwas, das alles zuvor nur lächerlich aussehen ließ.“

B: „Du bist wie eine pyromanische Motte, die einfach in die Flamme fliegt, weil sie den Duft von Braten liebt.“

A: „Unser ganzes Leben ist vorherbestimmt. Ein Teufelskreislauf, aus dem ich ausbrechen will. Nur einmal die Kontrolle verlieren, einmal wieder den Rausch von Neuanfängen spüren.“

B: „Wir haben doch ein gutes Leben, eine stabile Beziehung. Und das alles aufs Spiel setzen, für deine Illusion von Freiheit?“

A: „Nachts, wenn alles dunkel ist, dann merke ich gar nicht mehr, dass ich diejenige bin, die schreit.“

B: „Hast du schon die neue Hausrat beantragt?“

A: „Mir ist das wirklich wichtig. Versuch doch mich zu verstehen.“

B: „Zwei ist mehr als eins. Total logisch, Mathematik. Wieso solltest du die eins nehmen, wenn du auch die zwei haben kannst? Oder drei. Vier. Fünf. Verdammt, dann fick doch einfach gleich die Zahl Pi, vielleicht bist du dann zufrieden.“

A: „Ich glaube wir reden aneinander vorbei. Ich glaube ich mach mal das Fenster zu.“